Benjamin Graham

Auf kurze Sicht ist der Markt ein Stimmungsbarometer, aber langfristig gesehen ist der Markt eine Waage.

Kategorisierung: Value-Investing, quantitativ

  1. Benjamin Graham – der Urvater der Value-Investoren
  2. Benjamin Grahams Strategie
  3. Kaufkriterien und Aktienauswahl
  4. Depotmanagement nach Benjamin Graham
  5. Tipps
  6. Für wen ist diese Strategie geeignet?
  7. Über Benjamin Graham
Tipp

Den Index „Graham-Value Offensive“ haben wir gemäß der Analagephilosophie von Benjamin Graham entwickelt.

Benjamin Graham – der Urvater der Value-Investoren

Value-Investing ist ein Ansatz, der heute durch eine Vielzahl von Anlegern praktiziert wird. Die Anfänge dazu gehen jedoch auf die 30er und 40er Jahre zurück, als Benjamin Graham und David Dodd den Klassiker „Security Analysis“ (Die Wertpapieranalyse) schrieben und Graham anschließend 1949 das Werk „The Intelligent Investor“ (Intelligent Investieren) veröffentlichte, in dem er auf verständliche Art und Weise seine Grundsätze darlegte. Seitdem gilt Graham als Gründervater der Value-Investoren. Er war einer der Ersten, der die systematische Aktienauswahl anhand nachvollziehbarer Kriterien propagierte – und das zu einer Zeit, in der persönliche Intuition als einziges Auswahlkriterium galt. Graham misstraute technischen Analysen und stand Wachstumstiteln kritisch gegenüber. Er stellte seine Aktieninvestments auf ein für ihn solides Fundament aus etablierten, stabilen und konservativ finanzierten Unternehmen, die ein geringes Risiko für Gewinnrückgänge aufwiesen. Kernelement seiner Aktienauswahl war die gründliche Analyse des Unternehmens. Er bestand darauf, dass Aktienanleger sich als Firmenteilhaber ansehen und jeden Wert vor der Investmententscheidung so zu analysieren, als ob man die gesamte Firma übernehmen wollte. Seine wohl berühmtestes Investment war der Kauf des Versicherers GEICO, in den er 25 % seines Kapitals steckte und mit dem er über 8 Jahre eine Wertsteigerung von 1635 % erzielte. Doch auch abgesehen davon konnte Graham für seine Kunden über lange Zeiträume und über Hochs und Tiefs am Markt eine durchschnittliche Rendite von 20 % pro Jahr erreichen. Ihm wurden daher mehrere Millionen USD zur Verwaltung anvertraut. Graham gilt zudem als geistiger Vater von Warren Buffet, der sein Schüler war und über Grahams Buch „Intelligent Investieren“ sagte, es sei „Mit Abstand das beste Buch, das je über das Investieren geschrieben wurde“.

Benjamin Grahams Strategie

Die Börse liegt häufig komplett schief, und ein wacher und mutiger Investor kann von den offenkundigen Irrtümern profitieren.

Grahams Ansatz orientiert sich daran, möglichst große Sicherheit für den Investor zu schaffen. Im Mittelpunkt stand für ihn die gründliche Analyse. Sie soll zu Anlagen führen, die solide Renditen und eine größtmögliche Sicherheitsspanne aufweisen. Andere Investments lehnte er als zu riskant ab.

Graham beobachtete, dass Aktienmärkte kurzfristig gewissen Trends folgen und Aktien-Bewertungen oft das Ergebnis menschlicher Emotionen und Psychologie statt rationaler Bewertung sein können. Er nutzte die vielzitierte Allegorie „Mr. Market“, um den irrationalen Charakter des Marktes zu beschreiben. Er meinte, dass bestimmte Unternehmen oder Branchen gepriesen werden, wodurch sich eine Überbewertung ergeben kann. Parallel geraten einige sehr solide Unternehmen quasi „aus der Mode“, gelten als nicht besonders attraktiv und sind daher für einen sehr günstigen Preis am Markt zu haben – und sind demnach unterbewertet. Das heißt, der Marktpreis dieser Titel notiert unter ihrem ermittelten inneren Wert. Es gilt nun für Investoren, diese Titel zu finden. Damit steht Grahams Ansatz der Effizienzmarkttheorie gegenüber, die besagt, dass zu jeder Zeit bereits alle relevanten Informationen bekannt und in die Aktienkurse eingepreist sind. Demnach dürfte es keine Unter-/Überbewertungen geben, sondern alle Aktien müssten entsprechend ihres tatsächlichen, fundamentalen Wertes notieren. Grahams Erfahrung zeigte jedoch, dass es oft einen Unterschied zwischen tatsächlichem Unternehmens- und seinem Börsenwert gibt, weshalb seine Strategie darauf zielt, in unpopuläre, unterbewertete Unternehmen zu investieren, um diese Differenzen auszunutzen. Da jedoch nicht nur mangelndes Interesse oder Begeisterung Kurse drücken können, sondern ebenso aktuell schlechte Ergebnisse oder Prognosen eines Unternehmens, empfiehlt Graham, nur solide und gut aufgestellte Unternehmen für ein Investment in Betracht zu ziehen.

Er beobachtete, dass erfolgreiche, wachstumsstarke Unternehmen in der Regel zu einem Vielfachen ihres Nettoanlagewertes gehandelt werden. Laut Graham steigt das Risiko für Investoren, je höher der Aufschlag auf den Buchwert ist, da dann eine unsichere Grundlage besteht, nach welcher der intrinsische Wert bestimmt wird. Das heißt, der Wert ist umso abhängiger von den sich ändernden Stimmungen und Maßstäben der Börse und der Spielraum für Irrtümer steigt, die einen Anleger im schlimmsten Fall teuer zu stehen kommen. Graham empfiehlt aus dieser Beobachtung heraus, Titel zu wählen, die nahe am oder max. ein Drittel über dem Sachvermögen notieren. Er sagt zudem, dass sich ein Investor nicht allein auf die Kursnähe berufen sollte, sondern auch diverse quantitativ ausgerichtete Kennzahlen und Kriterien wie z.B. das KGV zur Aktienselektion ansetzen sollte, die als gute Indikatoren für solide Unternehmen anzusehen sind.

Die Sicherheitsspanne – Margin of Safety

Das zentrale Konzept in Grahams Ansatz ist die sogenannte Sicherheitsmarge, mit der Anlagen abgesichert und das Risiko von Verlusten verringert werden sollen. Sie besagt, dass man nie zu viel für seine Aktien zahlen, also der Börsenwert unter dem in der Analyse ermittelten tatsächlichen Unternehmenswert liegen sollte. Die Marge stellt eine Art Puffer dar, der Anleger bei Irrtümern und vor Kursänderungen aufgrund von Gewinnrückgängen schützen und idealerweise trotzdem eine zumindest kleine Rendite verschaffen soll. Graham betonte mehrfach, dass es niemandem möglich ist, die zukünftigen Gewinne eines Unternehmens korrekt vorherzusagen, was aus seiner Sicht die Sicherheitsmarge so bedeutend macht. Bei entsprechend großer Sicherheitsmarge, reiche es für Investoren aus, davon auszugehen, dass die Gewinne in Zukunft nicht wesentlich geringer sind, als die der Vergangenheit.

Grahams Grundsätze und Vorgehen:

  1. Zusammenstellung einer Watchlist mit Unternehmen, die nach logischen und zuverlässigen Normen als unterbewertet und solide gelten (vgl. Kaufkriterien)
  2. Weiteres Vorgehen und Kaufentscheidung je nach Investorveranlagung (vgl. defensiver/aktiver Investor)
  3. Gründliche Analyse des Unternehmens vor dem Kauf, statt auf Kurssteigerungen zu wetten
  4. Bewusster Schutz vor Verlusten
  5. Für beide Investor-Typen gilt: Diversifikation im Aktien-Portfolio sowie Aufteilung des Vermögens auf verschiedenen Assetklassen
  6. Depotüberprüfung alle 6 – 12 Monate
  7. Entsprechende Erwartungshaltung an die Rendite nicht übertreiben, sondern angemessen ansetzen

Typen von Investoren

Graham unterscheidet zwei grundlegende Typen von Investoren anhand der Zeit, die ein Anleger mit der Recherche am Markt aufbringen kann und möchte: Den defensiven und den aktiven Anleger. Wodurch sind diese Typen charakterisiert? Der defensive und tendenziell eher passive Anleger ist vornehmlich sicherheitsorientiert und möchte mit möglichst wenig Aufwand solide Renditen erzielen. Der Fokus liegt auf der Vermeidung von Verlusten, während der aktive und etwas aggressivere Anleger bereit ist, zugunsten von höherer Rendite mehr Zeit und Aufwand in die Recherche von Aktien zu investieren. Über einen langen Zeitraum hinweg wird der aktive Anleger laut Graham voraussichtlich eine bessere Rendite erzielen.

Beide Typen agieren mit möglichst geringem Risiko. Je nachdem, welchen Aufwand ein Investor betreiben möchte, sollte er eine entsprechende Strategie zur Auswahl und Anlage wählen, wobei der aktivere Anleger aus Grahams Sicht gerne stärker individuell ausgewählte Aktien kaufen kann. Im Grunde genommen legt Graham beiden Typen dieselben Grundlagen ans Herz, ausschließlich Unternehmen zu wählen, die seit Jahren profitabel und stabil sind und für die auch in Zukunft solide Geschäfte erwartet werden.

Kaufkriterien und Aktienauswahl

Graham rät vom Kauf von Aktien minderer Qualität aber auch von Aktien sehr guter Qualität, deren Preis zu teuer ist, ab. Dadurch soll das spekulative Risiko vermieden werden. Sein Ansatz konzentriert sich auf den inneren Wert einer Firma, der aufgrund ihrer Stabilität, der langen Gewinn- und Dividendenhistorie gerechtfertigt ist. Beiden Investortypen schlägt Graham eine Reihe Minimalkriterien vor, anhand derer eine Aktienauswahl erfolgen sollte.

Auch dem defensiven Investor gibt er eine Reihe an Empfehlungen zur Beurteilung von Unternehmen zur Hand, nach denen dieser selbst ein quantitativ geprüftes Portfolio zusammenstellen kann, sofern er nicht den ganz einfachen Weg wählt und ein den großen Indizes angelehntes Portfolio aufbaut. Dem aggressiven Investor rät Graham im Wesentlichen dieselben Grundregeln wie nach der defensiven Strategie, die jedoch flexibler gehandhabt werden können, wodurch das Investmentportfolio höhere Gewinnchancen aufweisen kann.

Der defensive Investor

Graham misstraute subjektiven Beurteilungen und versuchte die Aktienauswahl so objektiv wie möglich zu gestalten. Er beschreibt sieben relevante Faktoren, anhand derer ein Anleger solide Unternehmen für ein Investment herausfiltern kann:

  1. Angemessene Größe und Bedeutung:
    Graham hält kleine Unternehmen, deren Kennzahlen oft stark schwanken können, für den defensiven Investor ungeeignet. Er bevorzugt große, stabile Unternehmen, die sich in der Regel schneller von Rückschlägen erholen können. Er zieht bei einem Umsatz von mind. 100 Mio. USD für Industrieunternehmen und für Versorgungsunternehmen mind. 50 Mio. USD die Grenze zur Berücksichtigung. Sofern wir eine Wachstumsrate von 5 % seit 1973 (aus dem Jahr stammen Grahams Angaben) annehmen, würde das heute ca. 776 Mio. USD bzw. 388 Mio. USD entsprechen.
  2. Ausreichende finanzielle Stärke:
    Das Umlaufvermögen sollte mindestens doppelt so hoch sein, wie die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Außerdem sollten die langfristigen Verbindlichkeiten das Nettoumlaufvermögen oder Betriebskapital nicht überschreiten. Bei öffentlichen Versorgern sollten die Schulden den doppelten Wert der Aktien (zum Buchwert) nicht überschreiten. Dort entfällt das Kriterium Verhältnis von Umlaufvermögen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten.
  3. Stabilität der Gewinne:
    Durchgehend positive Ergebnisse über die letzten 10 Jahre.
  4. Gewinnwachstum:
    Mindestens um 1/3 der Gewinne je Aktie in den letzten 10 Jahren, wobei zu Beginn und zum Ende der 3-jährige Durchschnitt angesetzt wird.
  5. Dividenden:
    Stetige Dividenden-Zahlungen ununterbrochen über die letzten 20 Jahre.
  6. Moderates Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV):
    Der aktuelle Kurs sollte unter dem 1,5-fachen des letzten ausgewiesenen Buchwerts liegen.
  7. Moderates Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV):
    Der aktuelle Kurs sollte kleiner sein als der 15-fache Durchschnitt der Gewinne je Aktie der letzten 3 Jahre. Ein Multiplikator der Gewinne unter 15 könnte allerdings einen entsprechend höheren Multiplikator des Vermögens rechtfertigen. Als Faustregel schlägt Graham daher vor, dass das Produkt aus Multiplikator und dem Verhältnis von Kurs-zu-Buchwert nicht höher als 22.5 sein sollte. Jason Zweig empfiehlt, neben dem KGV auch das ROIC zu betrachten, da das KGV oftmals durch verschiedene Faktoren wie die Gewährung von Aktienoptionen, bilanzierte Gewinne und Verbindlichkeiten verzerrt wird. Diese Kennzahl ROIC gibt an, wie effizient ein Unternehmen mit den eingesetzten Mitteln der Anleger (Aktionäre) hantiert und weist nach, wie viel Geld das Unternehmen tatsächlich mit den operativen Geschäften verdient. Zweig hält ein ROIC ab 10 % für attraktiv.

Man sollte sich bewusst machen, dass aufgrund der Regel zum Buchwert unter Umständen Unternehmen ausgeschlossen werden, die über erhebliche immaterielle Werte wie Goodwill, Patente, Software etc. verfügen. Graham versuchte zudem, den Investor von starken Wachstumstiteln wegzubewegen, die er aufgrund ihrer Tendenzen zur Überbewertung für wesentlich riskanter hielt.

Zudem empfiehlt Jason Zweig, der Grahams Strategie im Buch „Intelligent Investieren“ kommentierte, den Anteil institutioneller Anleger unter den Aktionären zu prüfen. Ist er größer als 60 %, dann war die Aktie wahrscheinlich schon zu stark nachgefragt.

Der aktive Investor

Der aktivere Investor ist in der Regel daran interessiert, ein individuelleres Portfolio mit besserem Renditepotenzial zusammenzustellen. Zusätzlich zu dem für sicherheitsorientierte Anleger empfohlenen Vorgehen, kann ein professioneller Investor auch sogenannte zweitrangige Unternehmen in Betracht ziehen, sofern sie sich gut behaupten und solide Leistungsbilanzen vorweisen können. Daher rät Graham dazu, dieselben Grundlagen wie der defensive Investor anzuwenden, diese jedoch etwas flexibler zu nutzen:

  1. Finanzielle Situation: Flüssige Aktiva müssen mind. das 1,5-fache der kurzfristigen Verbindlichkeiten betragen und die Schulden dürfen nicht höher als 110 % der liquiden Mittel sein.
  2. Stabilität der Gewinne: Kein Defizit in den vergangenen 5 Jahren.
  3. Dividenden der Vergangenheit: Stetige Dividendenzahlungen.
  4. Gewinnwachstum: Die Gewinne des abgelaufenen Jahres müssen höher liegen, als die vier Jahre zuvor.
  5. Kurs: Sollte niedriger als 120 % des Nettosubstanzwertes liegen.

Hinsichtlich der Größe des Unternehmens sind keine Grenzen gesetzt. Allerdings, so Graham, tendieren kleinere Unternehmen mit minderer Qualität in Bullenmärkten eher zu Über- und in Bärenmärkten eher zu Unterbewertungen und benötigen oft relativ lange, um sich wieder zu erholen. Daher rät Graham dazu, zweitklassige Titel zu meiden und bei der Auswahl kleiner Unternehmen entsprechend sorgfältig vorzugehen.

Diese Kriterien für defensive und aktive Investoren sind keineswegs als abschließend zu betrachten, sie stellen eher eine kritische Vorselektion dar. Neben oben genannten Feldern erachtet Graham insbesondere auch die Qualität und das Verhalten des Managements für bedeutend. Jeder Anleger sollte laut Graham weitere für ihn sinnvolle Auswahlkriterien zur Feinauswahl ansetzten und mögliche Investitionsunternehmen gründlich anhand ihrer Geschäftsberichte analysieren.

Eine der wichtige Prüfungen vor dem Kauf sollte die Frage sein: Würde ich die Aktie auch kaufen, wenn ich den aktuellen Kurs nicht kennen würde? Aktien bedeuten für Graham keine Tickersymbole, sondern die Rendite eines Miteigentümers am Unternehmen. Er rät, sich als Eigentümer des Unternehmens und nicht nur als außenstehenden Investor zu betrachten und unter diesem Gesichtspunkt die Aktien auszuwählen. Das bedeutet auch, man sollte das Unternehmen und sein Geschäftsumfeld verstehen.

Depotmanagement nach Benjamin Graham

Value-Investing ist eine langfristig angelegte Strategie, die auf fundamentalen Werten basiert. Da der Markt manchmal relativ lange benötigt, um fundamentale Über-/Unterbewertungen zu korrigieren, sind Investments auf mehrere Monate bzw. Jahre ausgelegt. In dieser Zeit wird das Depot zum Teil starken Marktschwankungen ausgesetzt sein. Ein Investor sollte laut Graham finanziell und gedanklich darauf vorbereitet sein, Wertminderungen (nicht realisierte Verluste) von einem Drittel des ursprünglichen Depotwertes hinzunehmen, bevor sich ein Titel wieder dem fairen Preis annähert.

Zeithorizont: Mittel- bis langfristig (i.d.R. mind. 1 – 7 Jahre, je nachdem wie schnell der Markt den wahren Wert erkennt)
Portfoliogröße: 10 – 30 verschiedene Titel (Diversifikation)
Positionsgröße: Abhängig vom Gesamtdepotwert
Portfolioüberprüfung: Ca. alle 6 Monate bis spätestens 1x jährlich sollte das Depot hinsichtlich der fundamentalen Bewertungen der Unternehmen sowie des Verhältnisses zwischen Barmitteln und Anleihen und Aktien überprüft werden.
Verkaufsregeln: Wenn der Markt stark gestiegen ist, die Titel im Portfolio fair oder sogar überbewertet sind, kann verkauft werden

Die Aktien im Portfolio werden unabhängig von ihrer aktuellen Notierung regelmäßig überprüft. Investoren sollten nicht so sehr über Marktschwankungen nachdenken, sondern die Aktien im Portfolio unabhängig von ihrer aktuellen Notierung regelmäßig auf fundamentale Werte überprüfen. Ebenso sollte der Markt regelmäßig auf Kaufchancen beobachtet werden. Titel werden in der Regel nicht allein aufgrund eines deutlichen Kursrückganges verkauft. Stattdessen wird validiert, ob sich die ursprüngliche Bewertung weiterhin widerspiegelt und gültig ist. Ein guter Investor, der seine Aktien strikt und sorgfältig wählt, wird laut Graham nur sehr selten gezwungen sein, zu verkaufen. Auch wenn der Markt vermeintliche „Warnsignale“ sendet, also einen Kursrückgang, den einige als Vorboten von Schlimmerem interpretieren würden, sieht Graham diese Signale oft als irreführend an. Kurse bieten nur eine wichtige Information an: Sinkende Kurse bedeuten, es gibt eine günstige Gelegenheit zum Kauf, stark gestiegene Kurse vermitteln: Es wäre eine gute Chance, zu verkaufen.

Tipps

Was meint Graham eigentlich, wenn er vom „intelligenten Investor“ spricht? Seine Definition bezieht sich auf Charaktereigenschaften. Der intelligente Investor ist für Graham geduldig, diszipliniert und wissbegierig. Er ist „ein Realist, der von Pessimisten kauft und an Optimisten verkauft.“

Intelligent investieren bedeutet auch, „das zu kontrollieren, was kontrollierbar ist.“ Auch wenn kurzfristige Kursveränderungen der Spielball von „Mr. Market“ sind, können Investoren einiges tun, um ihre Rendite zu beeinflussen. Das sind:

  • Die Brokerkosten
  • Ihre Erwartungen (realistisch bleiben und eigene Gewinne nicht prognostizieren)
  • Ihr Risiko (Sicherheitsmarge, Aktienanteil, Diversifikation)
  • Der Versuchung widerstehen, seinen Erfolg so zu beurteilen, wie es andere tun würden
  • Ihr Verhalten (Emotionen unter Kontrolle halten)

Weitere Tipps:

  1. Folgen Sie nicht jedem Trend. Beherzigen Sie die Regel, günstig zu kaufen und teuer zu verkaufen. Aktien sind es nicht Wert, zu jedem Preis gekauft zu werden. Setzen Sie sich nach der Analyse ein Limit, das Sie bereit sind zu zahlen.
  2. Achten Sie nicht zu sehr auf den Gesamtmarkt. Auch in einem teuren Markt kann es „Schnäppchen“ geben.
  3. Investieren sie nicht blind in bekannte Unternehmen. Studien zufolge ist man eher geneigt, Bekanntes positiver einzuschätzen, als es eigentlich ist. Kaufen Sie nie ohne gründliche Analyse.
  4. Mixen Sie die Strategien der Anlegertypen auf Wunsch, kaufen Sie teils nach defensiven teils nach aggressiveren Kriterien.
  5. Graham empfiehlt je nach persönlicher Situation einen Portfoliomix aus erstklassigen Anleihen und Aktien, idealerweise zu einem Verhältnis von 50:50 (mind. jedoch 25 % und max. 75 %). In endenden Bärenmärkten sollte der Aktienanteil erhöht werden, da hier viele Schnäppchen zu finden sind. Im Bullenmarkt wird dann andersherum gehandelt.
  6. Graham warnt davor, sich in der Erwartung auf kurzfristig hohe Gewinne stark auf IPOs zu konzentrieren. Investieren Sie vornehmlich nach gründlicher Analyse in Unternehmen mit langer solider Historie, um Risiken zu minimieren.

Für wen ist diese Strategie geeignet?

Graham gibt in seinem Buch Tipps für sicherheitsorientierte Investoren. Der Kapitalerhalt ist für ihn die oberste Maxime, hohe Renditen eher zweitrangig. Anleger, die nach diesen Prinzipien auf lange Sicht erfolgreich sein wollen, finden wertvolle Hinweise in Grahams Ausführungen. Die Strategie benötigt Zeit, um Gewinne aus Unterbewertungen verzeichnen zu können. Währenddessen kann ein Portfolio zeitweise signifikante Wertverluste hinnehmen, die ein Investor ruhigen Gewissens aushalten muss. Die Depotpflege ist unterjährig wenig aufwändig, allerdings erfordert die Aktienselektion eine nähere Analyse der Unternehmen.

Über Benjamin Graham

(* 1894 ; † 1976)

Benjamin Graham wurde als Kind der jüdischen Familie Grossbaum in London geboren und wuchs wohlsituiert in New York auf, in das die Familie ein Jahr nach Grahams Geburt übersiedelte. Da deutsche Nachnamen zu dieser Zeit nicht besonders beliebt waren und man sich keine Aufstiegschancen verbauen wollte, änderte die Familie ihren Namen in Graham. Grahams Vater war ein erfolgreicher Porzellanhersteller. Nach seinem frühen Tod im Jahr 1903 musste die Firma jedoch verkauft werden, so dass die Familie nach und nach verarmte. Während der Finanzkrise einige Jahre später verloren die Grahams zudem einen Großteil ihres Vermögens durch kreditfinanzierte Spekulationen mit Aktien. Man vermutet, dass dies einer der entscheidenden Faktoren war, der dazu führte, dass Kapitalerhalt für Graham stets oberste Priorität hatte.

Graham wurde kurz vor seinem Abschluss an der Columbia Universität in New York bereits im jungen Alter von 20 Jahren eine Lehrpositionen an drei Fakultäten angeboten: Griechische und Lateinische Philosophie, Englisch und Mathematik. Da Graham jedoch seine Familie finanziell unterstützen musste, begann er vorerst seine Arbeit an der Wall Street, wurde Analyst und später Partner, bis er seine eigene Investment-Firma gründete. Sein Investmenterfolg bestärkte ihn, sodass Graham im Anschluss eine eigene Vermögensverwaltung gründete. Der „Vater des Value-Investings“ war zwar ein hervorragender Investor und fortschrittlicher Denker, jedoch kein besonders guter Familienmensch. Er ließ sich 1937 von seiner ersten Frau scheiden, was zu dieser Zeit sehr unüblich und gesellschaftlich inakzeptabel war. Die kommenden Jahre brachten mehrere Ehen und zahlreiche Affären. Graham starb im Altern von 82 Jahren in der französischen Provence in den Armen einer französischen Geliebten. Graham galt als vielseitig talentiert, er sprach mehrere Sprachen, schrieb ein Broadway-Stück und zahlreiche Artikel über das Investieren.